Der Anfang meines Blogs war schon länger geschrieben. Immer wieder versuchte ich, mich während meines Trekkings aufzuraffen, neben den Posts bei Instagram und Facebook auch den Blog weiter zu führen.
Beim Wandern tauchten - im wahrsten Sinn des Wortes „laufend“ - ganze Textteile und spannende Themen auf. Einige hielt ich im Gehen fest als Sprachmemo, andere fanden Niederschlag als Notiz.
Doch mehr ging nicht. Ich war stets vollauf damit beschäftigt, den nächsten oder übernächsten Tag mit Etappenort, Unterkunftssuche und Routenplanung vorzubereiten.
Wandern mit Bordcomputer
Von einem Tag in den anderen hinein wandern - so etwas wäre auf diese Weise vor einigen Jahren nicht möglich gewesen.
Genauere Routen ergaben sich oft erst, wenn ich eine passende Unterkunft gefunden hatte und annehmen konnte, dass der geplante Weg in etwa einer Gehdistanz von 20 bis 30 km entsprechen würde. Das klappte alles relativ gut, auch wenn ich etwa mal krass daneben lag - und es natürlich selber Ausbügeln musste.
Möglich macht das der kleine Bordcomputer, den praktisch jede und jeder mit sich herumträgt. Und der so unwahrscheinlich viel kann. Wenn ich ihn auch entsprechend bediene. Ich habe eine Flatrate, die mir auch im Ausland freien Zugang aufs Internet möglich macht. So läuft praktisch alles über entsprechende Apps. Das GPS sagt mir, wo ich mich genau befinde. In einer wildfremden Umgebung immer extrem hilfreich. Ich buche und orte Hotels, orientiere mich im Gelände, bekomme absolvierte Schritte und Kilometer gemeldet, finde Bahn- und Busverbindungen und hole mir Tickets, checke Sehenswürdigkeiten und touristische Angebote, höre Musik und Podcasts, schaue fern und you tube, bin vernetzt und kommuniziere dank Social medias, fotografiere, mache Sprachmemos - und schreibe Texte wie gerade jetzt. Alles mit einem Gerät! Eine tolle Sache!
Immer Blick zurück
Nur kaputt gehen oder abhanden kommen darf es nicht. Obschon gehütet wie mein Augapfel, ist es doch geschehen. Super Gau! Eine kurze Abgelenktheit im Zug, liegen gelassen auf dem Sitz beim hastigen Aussteigen - und lange lange 45 Minuten gewartet, und gehofft und gehofft, bis die gleiche Zugkomposition wieder vorbei kam. Und siehe da! Unbegleitet wieder zurück! Was für ein Glück und was für ein Wink mit dem Zaunpfahl. Pass auf! Und nie vergessen: Blick zurück!
Schnurstracks gegen Norden
Festgestanden hatte für mich beim Losgehen nur, dass ich mich auf einer Strecke fortbewegen wollte, die ungefähr der Luftlinie Basel - Nordsee entsprach. So entstand auch das Motto „meerwärts“, was unter #meerwärts zu einer kleinen Doku auf Facebook und Instagram führte.
Ich hatte die Absicht, möglichst lange dem Rhein zu folgen und mir genügend Zeit zum Verweilen und Geniessen zu nehmen. Mit Geniessen war gemeint: Abwechslungsreiche Routen suchen, auch mal stehen bleiben oder sogar zurückgehen, staunen, fotografieren, mich hinsetzen, Gesehenes und Erlebtes einwirken lassen, mir Zeit geben. Ich hatte ja keine Eile. Das musste ich mir jedoch auch immer wieder mal sagen, mich daran erinnern.
Was für eine Chance, was für ein Glück, spüren zu dürfen, dass sich meine Aufmerksamkeit nach den ersten Etappen immer mehr ins Hier und Jetzt verlagerte. Es wurde irgendwie ruhiger zwischen meinen Ohren. Wenn ich nicht gerade Podcasts hörte.
Alltägliches, auch rasch Vorbeiziehendes, Unscheinbares fand Beachtung und inspirierte zu Überlegungen und Gedanken. Eine Art GedankenGang entstand. Neues, sich Entwickelndes verband sich mit Altem, Bekanntem. Lustiges tauchte auf und verschwand auch wieder. Schmunzeln. Lachen, auch über mich selber.
Wandern im Hier und Jetzt
Präsent und entspannt ziehe ich in die sich ständig neu präsentierende Welt, bereit auf das einzugehen, was kommt.
Mir ist der schöne Satz „hinter jeder Ecke lauert eine neue Möglichkeit“ oft durch den Kopf gegangen. Und ich habe manche dieser Ecken erlebt.
Was sich mir präsentiert, will beachtet und ernst genommen werden. Ein Lernprozess kommt in Gang. Und immer geht es darum, einen Weg, also eine Lösung zu finden. Wie langweilig und beleidigend wäre es doch, nur Wege ablaufen zu dürfen, die mit nicht zu übersehenden Wegweisern beschildert sind und lediglich ausgetretenen Pfaden folgen. Je mehr ich mit all meinen Facetten gefragt bin, desto intensiver und selbstverständlicher gebe ich mich ein, mit mir, im Austausch, im Überprüfen, im Anerkennen und auf die Schulter klopfen, im Erkennen eines Fehlers. Und ich merke: Eine andere Anerkennungs- und Fehlerkultur, wenn der Begriff denn sein muss, beginnt mit mir.
Uf u dervo! Oder doch nicht?
Es wanderte und mäanderte schon länger in meinem Kopf herum. Uf u dervo!! Das musste jetzt einfach mal wieder sein. Auf meine Art, halt. Ich brauchte nicht Urlaub. Ich wollte mehr. Ein deutliches, ein entschiedenes Raus aus der Routine. Es ging nie darum, gleich alle Zelte abzubrechen. Einfach mal wieder eine Challenge lancieren, aufbrechen, losziehen, Neues entdecken, Überraschendes erfahren, Herausforderungen meistern, das wollte ich mir gönnen.
Es war anfangs 2020. ich hatte mein Reisejahr gestartet, hatte schon einen ziemlichen Weg durch Südwesteuropa gemacht und war mit dem Schiff auf den Kanaren gelandet. Doch die Freude nahm ein jähes und nicht in den schlimmsten Träumen erwartetes Ende. Und schwupps war ich wieder im Alten zurück, mehr oder weniger, natürlich. Und nicht ganz zurück, eben. Keine einfache Situation, zwar da, und doch nicht ganz da. Immer mit der Hoffnung lebend, die Normalität kehre bald zurück.
Doch ein Virus dirigierte fortan unser und mein Leben, liess uns in Vielem eher zurückhaltend werden und Kontakte und Fernes tunlichst meiden. Wenn auch das Planen lange keinen grossen Sinn machte - die Sehnsucht nach der Weite, nach dem Meer, blieb in mir, als Schwellbrand quasi.
Leinen los - endgültig!
Erst die letzten Monate der Entspannung und die Möglichkeit der Impfung eröffneten wieder Alternativen, für Öffnungen, fürs Reisen.
Mitte Juli war es so weit. Zertifiziert als zweimal Geimpfter. Zu Fuss. Von Süd nach Nord durch Deutschland soll es gehen.
Mit Freunden durchwandere ich die Schweiz schon länger, von Nord nach Süd und im Moment von Ost nach West.
Ich wusste, ich spürte, ich kann das auch alleine und ich will es. Nicht nur für den Kopf, auch für den Körper. Klar fragte ich mich, wie fit ich eigentlich noch bin und über wie viele Tage ich eine solche Strapaze würde meistern können. Es hat geklappt. Ohne grosse Blessuren, ohne Hängen und Würgen, ohne einen Gedanken ans Aufgeben. Als ich im Juli von Basel her über die Grenze marschierte, hatte ich ein beflügeltes und zugleich komisches Gefühl. Ins „endlich geht es los!“ mischte sich die Frage, ob ich denn nun eigentlich einfach so über die Grenze komme. Eigenartig. Ich kam.
Nach 30 Tagesetappen zu Fuss und einigen Kilometern mit Bahn, Bus und Schiff, habe ich nun die Nordseeküste vor ein paar Tagen erreicht. 700 Kilometer Fussmarsch ab Basel liegen hinter mir. Erlebt und gesehen habe ich so einiges. Lust auf ein paar Impressionen?
Hier geht es lang!
Meine Wanderung führte mich vorerst durch das hügelige, von Rebbau dominierte Gebiet nach Freiburg hinein und ein Stück weit darüber hinaus. Hier begleitete mich Marco Jakob auf zwei Etappen und wir genossen einen wunderbaren Tag in Freiburg.
Es war erst einige Tage her, dass Unwetter und Starkregen in der Schweiz und vor allem in Deutschland zu extremen Überflutungen und Zerstörungen geführt hatten.
Der Rhein führte immer noch Hochwasser und die Auen, die zum Teil bis zu den dahinter liegenden Absicherungsdämmen überschwemmt gewesen waren, waren oft gesperrt und konnten nur abschnittweise begangen werden. Da mir niemand verlässlich Auskunft geben konnte, wo ich passieren konnte oder durfte und wo nicht, stellten sich diese Abschnitte schon mal als ziemliche Herausforderung heraus.
Meine von den Schweizer Wanderwegnetzen her geprägte hohe Erwartung, musste ich rasch revidieren und mich auf weniger verlässliche Signalisationen einstellen.
Meine App www.outdooractive.com hat mir bis heute gute Dienste geleistet. Ein ebenso brauchbares Pendant ist die App Komoot.
Diese Grenze bitte beachten!
Die Tage bis nach Kehl/Strassburg bescherten mir sommerliches Wetter und entsprechende Temperaturen. So schön, wenn ich ab und zu in einem lauschigen Weiher oder einem kleinen See abtauchen konnte. Die Märsche über die Dämme dem Rhein entlang waren dann oft etwas eintönig und - auch wegen Umwegen - nicht enden wollend.
Ich war froh, als ich Kehl endlich erreichte. Aus beschriebenen Gründen hatte ich am Ziel dieser Tagesetappe schliesslich 42 Kilometer auf dem Tacho. Zu viel! Das spürte ich nur zu gut. Solche Mammuttage versuchte ich zukünftig zu vermeiden. Und ich entschloss mich, nach dem Besichtigungstag in Strassburg die Strecke bis nach Mainz mit der Bahn zurück zu legen.
An der Loreley vorbei
Die nun folgende Route durch die Rheinschleifen bis nach Koblenz hatte ich mir schon im Voraus etwas genauer angeschaut gehabt. Die hier ausgeschilderten Wanderetappen folgen dem Rhein links- und rechtsseitig. Sie eröffnen immer wieder wunderbare Ausblicke auf den sich durchs Tal schlängelnden Rhein, führen steil hinunter in die zum Teil sehr pittoresken Dörfer an dessen Ufer. Ein anstrengendes Auf und Ab war die Folge und nicht selten war eine schöne Portion Trittsicherheit verlangt. Weil das Tal schon früher mit Schifffahrt, Strasse und später Bahn eine wichtige Verkehrsverbindung gewesen war, prägen noch heute - neben den Verkehrswegen - viele Burgen und Schlösser das Talbild. Ich war jedenfalls froh, hatte ich hier einigermassen trockenes Wetter und konnte alle Wege mit der nötigen Vorsicht begehen.
Mit dem Erreichen von Koblenz war ich zwei Wochen unterwegs und hatte den Teil meiner Wanderung abgeschlossen, den ich mit einer groben Planung hatte überblicken können. Ab jetzt begann die Improvisation. Davon dann mehr in einem kommenden ReiseBlog.
Ich beschliesse diesen Blog mit dem Hinweis auf das Buch „Einfach losgehen“ von Bertram Weisshaar, erschienen im Eichborn-Verlag. Der Titel und der Inhalt des Buches haben mich sehr inspiriert - auch zum Titel meines Blogs - und mir Mut gemacht, meinen mitunter abenteuerlichen Weg nordwärts meerwärts zu gehen.