Kommt künstlich von Kunst?

Biennale in Venedig.
Das europäische Mekka schlechthin der zeitgenössischen Kunst. Ein Ausflug. Ein Weekend. Kunst. Die Anreise im Zug ist kurzweilig und fast in time kommen wir an. Unterwegs also genug Zeit, Gescheites zu tun. Ich lese Blogs von unserer Colearning-Challenge. Und ich versuche, passende Feedbacks zu geben. Die Gedanken, die da in Zeilen fliessen, sollen die Überlegungen würdigen, die den oft sehr persönlichen Texten zugrunde liegen. Eine Begutachtung und eine wertschätzende Auseinandersetzung mit dem in Worten formulierten Gedankengut. Sehr spannend, berührend und erhellend, einander auf diese Weise noch besser kennenlernen zu dürfen. 

Ist das eigentlich auch eine Form von Kunst? Frage ich mich eher flüchtig. Ich finde, irgendwie schon. 

Da steht zum Beispiel beschrieben,
wie es dazu kommt, ausrangierte Hafermilchneutel mit einem hausgemachten Substrat zu füllen und diese als Pilzboxen zu verkaufen. All das hat viel mit Lernen, Dazulernen und Gedankenwälzen zu tun. Ich bekomme es mit, live. Leicht zeitverzögert. In einem Zug. Und mache mir meine eigenen Gedanken. Ein jeder ein Künstler. 

Dann ist da die Schreibe von Zebras, die metapherartig eine neue Entwicklung und eine neue UnternehmensKultur von Start-ups einläuten und definieren sollen. Gutes Gründen ist eine Kunst, die nicht unbedingt jede und jeder kann. 

Oder es geht um Wellen, die nur geritten und nicht angehalten werden können. Im Gegensatz zu Zebras. Da ist beides schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Einmal auf dem Wellenberg hingegen gibt es nichts anderes als mitgehen. Natürliche Entwicklungen antizipieren und ausbalancieren. Das ist die Kunst. Lebensweltliche und philosphische Gedankenfahrten gelingen auf diese Weise stehend,  mit dem Padel in beiden Händen. 

Und nicht zu vergessen: Da kommt plötzlich noch ein Blogger um die Ecke, der uns aufzeigen will, dass der Wald, auch der bernische Burgerwald, nur sich selbst gehören kann. Wie übrigens du dir und ich mir auch. Bin gespannt, wie es weiter geht. Sein Blog ist betitelt mit Volume 1. Kunstvoller Cliffhanger? 

Oder es geht darum, Kinder einfach spielen zu lassen. Ausgangssituation Hütedienst. Und wunderbar: Der Enkel muss nicht bespasst oder dauernd unter Aufsicht gehalten werden. Er kennt seine Siedlung, sein Spieldorf. Spielend, forschend, entdeckend und experimentierend  ist er unterwegs. Mit anderen Kindern der Überbauung. Sie machen ihr Ding und nutzen ihre Möglichkeiten. Kontrolle? Ab und zu. Vertrauen, zutrauen? Immer und ganz, ganz viel. Künstler, du! 

Ich bin einmal mehr tief beeindruckt und habe noch längst nicht alles gelesen. War das jetzt etwas künstlich? Die Bemerkungen zur Kunst? Oder kunstvoll? 


Wir sind auf dem Weg, quer durch die Stadt hin zum Areal, wo die Biennale traditionsgemäss stattfindet. Kunst, antike Kunst überall. Wir, meine Freundin und ich, nehmen es gemütlich. Beide sind wir nicht zum ersten Mal in Venedig. Noch ein Kaffee kurz nach dem Markusplatz. Blick auf den Canale Grande, wie er sich zum offenen Meer hin weitet. Eine wunderschöne Stimmung - und viele Menschen. 

Auch in der Menschenschlange hin zum Arsenale, dem einen Kunstort. Huch! Das haben wir nicht erwartet. Was jetzt? Anstehen? Lieber nicht. Versuchen wir es morgen. 

Wir ziehen zum zweiten Austragungsort und haben hier etwas mehr Glück. Giardini heisst er und bietet vor allem Länderpavillons, in denen eingeladene Küstler ihr Werk zeigen. Wir suchen die Orte auf, die einen einigermassen zügigen Zugang versprechen. Auch hier sind uns diverse Schlangen zu lang. Mut zur Lücke. 

Was wir zu sehen bekommen, will mich mit einigen Ausnahmen nicht so recht überzeugen. Vielleicht sind es die zu vielen Menschen, die sich im Gelände und zwischen all der Kunst tummeln. Sind es die zum Teil sehr eigenwilligen - und für mich eigenartigen - Herangehensweisen- und Ausdrucksweisen der ausstellenden Künstler:innen? 

Und da taucht in mir auf, was der Titel des Blogs bereits ankündigt. Warum wirkt vieles von dem, was ich da zu sehen bekomme, irgendwie so künstlich auf mich? Fehlt es an meiner Identifikation? Sehe ich zu wenig rein, in Werk und Künstler:in? Oder ist künstlich auch Kunst? Also nicht einfach nur zu wenig echt, authentisch, klar? 

Wir haben’s diskutiert. Nicht sofort gegoogelt. Darüber philosophiert. Kunst und künstlich? Was hat Kunst mit künstlich zu tun. Beim Nachtessen. Und vorher. 

Und? Wie nahe sind sie sich wirklich? Was denkst du? 

Ich habe es dann doch noch gegoogelt.

Künstlich

Diverse Bedeutungen:

  1. nicht natürlich, sondern technisch nach Vorbildern aus der Natur nachgebildet
  2. nicht auf natürliche Art und Weise ablaufend, aber natürliche Prozesse imitierend
  3. gekünstelt, unnatürlich
  4. veraltet: eine Kunst beziehungsweise ein Kunstwerk darstellend

Synonyme:

  1. artifiziell
  2. aufgesetzt, gestellt
  3. künstlerisch, kunstvoll

Quelle Wiktionary

Kunst 

Kunst ist ein menschliches Kulturprodukt, das Ergebnis eines kreativen Prozesses. Das Kunstwerk steht meist am Ende dieses Prozesses, kann aber auch der Prozess bzw. das Verfahren selbst sein. So wie die Kunst im gesamten ist das Kunstwerk selbst gekennzeichnet durch das Zusammenwirken von Inhalt und Form. Ausübende der Kunst im engeren Sinne werden Künstler genannt.
Die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs Kunst wurde auf alle Produkte menschlicher Arbeit angewandt (vgl. Kunstfertigkeit) als Gegensatz zur Natur, was beispielsweise bei Kunststoff, Künstliche Ernährung, Künstliches Aroma, Künstliche Intelligenz ersichtlich wird.

 Quelle Wikipedia 


Sowohl Kunst als auch künstlich meint  kein natürliches Produkt. Beides wird von Menschenhand oder durch Maschinen geschaffen. Also darf künstlich immer auch positiv gesehen werden. In ein spannendes Feld geraten wir hingegen, wenn Künstliche Intelligenz Kunst produziert. Ist das dann noch Kunst? 


Ein Künstler mit seiner Performance hat mich dann doch noch in seinen Bann gezogen. Ich wollte mehr über ihn und sein Werk wissen. 

Das Mehr gibt es morgen - oder übermorgen.


Das Titelbild zeigt ein Werk der österreichischen Künstler:innen Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl aus der Installation “Invitation of the soft machine and her angry body parts”, biennale Venedig 2022