Einverstanden. Ein unmögliches Wort. Verkindergarten? Was soll das jetzt? Da ist der Kindergarten, da ist die Schule. Okay. Und doch nicht mehr so ganz. Aber lassen wir die Einordnungen und schauen wir, was mit der Aufforderung gemeint ist. Doch halt! Andersherum würde schon ein Schuh draus, höre ich da. Stimmt. Diese Befürchtung hat sich leider in vielen Schulen bewahrheitet. Der Kindergarten ist seit der Einführung vom Lehrplan 21 Teil der ersten Schulstufe. Und die Verschulung geschieht schleichend. Fertig Spielecke, fertig freies Herumspringen, fertig Malecke, fertig Theaterecke. Ab jetzt heisst es lernen. Und lernen bedeutet: Zuhören und still sitzen! So geht das. Oder doch nicht?
Szenenwechsel.
Nicht alle haben sich kleinkriegen lassen. Zum Glück! Es gibt sie noch. Die Spiel - und Lernlandschaften. Oft auch Basisstufen. Sie haben zum Glück vieles vom Kindergarten übernommen. Sie haben eine Kombi geschaffen, ein Spiel- und Lernarrangement, das freies, spielerisches Lernen mit Fachimpulsen verbindet. Die Lernraumgestaltung ist nahe an der des Kindergartens, Kinder sitzen im Kreis für gemeinsame Teile, finden unterschiedlichste Arbeits-, Lern- und Spielplätze verteilt im Innen - und im Sommer auch im Aussenraum. Bewegter Unterricht. Eine, manchmal sogar zwei Lehrpersonen, die vor allem moderieren und begleiten.
Ganz einfach: Im Prinzip wie Kindergarten. Ein Lernort, ein Lerngarten, wie ein Verkehrsgarten. Alles da, um in verschiedenen Themenbereichen und Situationen, individuell oder gemeinsam, lernen zu können. Einrichtung und Lernarrangement, dem Alter und den Lernzielen angepasst.
Wenn ich gefragt werde, wie Schule denn zum kindgerechten Lernort umgestaltet werden könnte: Voilà! Im Prinzip wie Kindergarten. Darum: Lassen wir es nicht zu, dass der Kindergarten zusehends verschult wird. Machen wir uns vielmehr daran, Schulzimmer immer mehr wie Lernlandschaften aussehen zu lassen.
Es ist eine Weile her. Da trafen sich im Effinger regelmässig einige Kollegen und Kolleginnen, um sich mit dem Thema “Verkindergarten der Schule” zu befassen. Die Arbeitsgruppe war aus dem Bildungsprojekt THES heraus gewachsen und konnte an den Schulen, wo die Mithlieder wirkten, das eine oder andere einbringen. Und die Idee lebt! Vor einigen Tagen tauchte sie wieder auf. Ich stosse im aktuellen Magazin von brand eins mit Schwerpunkt Bildung darauf. Titel des Artikels: Prinzip Kindergarten.
“Niemand weiss, welches Wissen wir im kommenden Jahrzehnt benötigen, um die Probleme dieser Welt zu lösen. Was also sollen wir lernen? Ungewiss. Aber was wir können sollten, liegt auf der Hand: denken.“
Dieser Satz stammt von einem Physiklehrer, heute pensioniert aber nicht in Rente, der sich früh aufgemacht hat, Lehren zu entrümpeln und Lernen zu fördern. Klaus-Peter Haupt heisst der Mann und sagt: „Was Menschen am meisten motiviert, ist doch, etwas zu schaffen, das es vorher noch nicht gab.“
Weil er Schüler:innen zum Forschen anstiften wollte, gründete er kurzum ein Forschungszentrum, in dem begeisterte Jugendliche experimentieren konnten. In der Freizeit! Denn diese Art von Lernen funktioniert halt einfach schlecht in einem Bildungswesen, „ das Köpfe nach Lehrplan füllt, statt sie zu stimulieren.“
Der erwähnte Artikel weist nicht nur hin auf den Futurespace, den der umtriebige Professor gerade mit einem ehemaligen Schüler, heute Investor, eröffnet hat. Er beschreibt Lernräume, die an Universitäten und unterschiedlichen Schulen entstanden sind. Einmal sind es Schulen, die die Klassenräume ganz abgeschafft haben und Schüler:innen zwischen Lern- Aufenthaltsinseln mäandern lassen, dann sind es Lernstudios, die regelmässig anders eingerichtet werden, ganz nach Thema. Oder erwähnt ist Finnland, das die Fächergrenzen erodieren lässt.
Auch hier zu Lande wurde und wird vieles ausprobiert, umgesetzt. Rahel Tschopp ist auf ihrer https://www.denkreise.ch/ unterwegs und zeigt viele Beispiele, das https://www.churermodell.ch/ orientiert sich an einer komplett anderen Raumgestaltung und öffnet Räume und Möglichkeiten für individualisierenden, handlungsorientierten Unterricht. Der Gründer dieses Modellls zeigt in einem kurzen Video die wesentlichen Aspekte dieser Lernumgebung auf und macht deutlich, wie die Gestaltung aus dem Kindergarten herausgewachsen ist.
Und da sind wir wieder. Beim Kindergarten. Eine vielleicht anfangs etwas chaotisch anmutende Lernwelt, die jedoch von ihren vielfältigen Lernangeboten und ihrer Lebendigkeit lebt und Kinder stimuliert und ins Handeln bringt.
Auch Colearning im Coworking Space befeuert diesen Gedanken und ermöglicht Lernen mitten im Leben.
Ein lebendiger, vielfältiger Lernort für alle.