Gar keine! Mindestens nicht die, die ich selber erlebt habe. Ich meine jetzt nicht die Schule meiner Kindheit. Das ist lange her und die war jenseits von Gut und Böse. Die Lehrer:innen wussten damals offensichtlich einfach nicht, wie Unterricht, Vermittlung von Wissen besser gestaltet werden könnte. Vielleicht konnten sie es schlicht nicht. Auch möglich. Sie konnten ihr Fach. Das mochten sie. Der Unterricht hätte aber auch ohne Schüler:innen stattfinden können. Erstens hätten sie es wohl gar nicht bemerkt und zweitens hätten sie nicht noch Stühle hochstellen müssen, die wir Schüler:innen (absichtlich) vergessen hatten.
Nein, ich meine schon die, die ich selber von innen heraus und in verschiedenen begleitenden Funktionen erlebt habe. Ich habe x Versuche erlebt, schulisches Handeln weiter zu entwickeln. Schon nur den Frontalunterricht in Frage zu stellen, galt als Hochverrat. Praktizierte man vermehrt offene Formen von Lernen, hinterfragte man das Unterrichten, Vermitteln, Belehren, wollte das Kopfschütteln nicht mehr aufhören. Nicht bei den Eltern - vor allem bei Kolleg:innen. Wollte man sich als Schulleiter gemeinsam mit dem Kollegium vermehrt mit pädagogischen Fragen beschäftigen und das lernbegleitende Handeln hinterfragen, war das Zeitverschwendung und eine Majestätsbeleidigung. Man befasste sich lieber intensiv mit Stundenplänen, Ferienordnungen und Abwesenheitskontrollen.
Und heute? Welche Schule wünsche ich mir? Es bleibt dabei: Gar keine. Mindestens nicht die, die wir heute haben. Mit Ausnahmen. Klar. Muss man immer wieder deutlich sagen. Gerade habe ich die gd-Schule in Bratsch als Beispiel für einen nach innen und aussen offenen Lernort auf LinkedIn gepriesen. Es geht - es würde gehen. Doch eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Heisst es bekanntlich.
Wie komme ich eigentlich auf die Frage und meine Antwort. Achtung: Wieder mal ein Eigentlich. Eigentlich wollte ich mich zu Schule nicht mehr äussern. Allzu kritisch meine ich. Was bringt es. Betupft reagieren zurecht die, die nach wie vor tagtäglich versuchen, die Kohlen aus dem Feuer zu holen und den Kindern eine einigermassen erträgliche Lernumgebung bieten. Auch die, die unter Erschöpfung, Stress, Angst und Überforderung leiden und schlicht weder die Kraft und noch die Überzeugung haben, um aktiv zu werden. Und sonst? Naivität, Unvermögen, Überschätzung oder ganz einfach kein Interesse an der Weiterentwicklung von Schule. Es läuft ja. Irgendwie. Und etwas Neues angehen mag man ja eh lieber nicht. Zu aufwändig. Ein wenig bekömmlicher Cocktail. Innovationsfreude, Freude fürs Lernen, Spass an Kindern zeigt sich anders. Keine gute Voraussetzung für dringend notwendige Veränderungen aus dem System heraus.
Ich glaube ehrlich nicht mehr daran. Gerade auch, wenn in Folge der Überforderung des ganzen Systems reaktionäre Tendenzen immer lauter werden: Notengebung in Gesetze schreiben, Disziplin und Ordnung als oberste Maxime, Selektion weil “ halt zum Ernst des Lebens gehörend”, beziehungsorientiertes Lernen wird zur Kuschelpädagogik.
Und wenn sich die Lehrpersonen bei Klassengrössen von 26 und mehr Kindern immer mehr in der Rolle der Dompteurin wiederfinden, um überhaupt einigermassen gesund über die Zeit und durch die Lektion zu kommen, haben wir so viel Stress und Aggression im System, dass ein reflexives Lernverhalten gar nicht mehr möglich ist. Überleben!
Und woher nun die Frage? Das Umfrageinstitut sotomo hat eine gross angelegte Umfrage lanciert. Ihre Frage lautet so: “Welche Schule möchte die Schweiz? Ihre Meinung ist gefragt!”
Wie würdest du die Frage beantworten?
Ich bin sie durchgegangen, die Umfrage. Ich habe es befürchtet. Meine Antwort war nicht gefragt. Zum Glück gibt es noch Kommentarfelder. Doch was bringt es? Wie soll ich ernsthaft Fragen beantworten, die einzig darauf abzielen, das Bestehende irgendwie mit ein paar Korrekturen weiter zu führen? Beispiele: Weniger Hausaufgaben? Ich sage: Nein, keine! Noten nur auf der Primarstufe? Nein, überhaupt gar keine mehr? Selektion in anderer Form? Nein, weg damit, mindestens auf Volksschulstufe.
Und so weiter und so fort. Nein, so geht es nicht. Wir müssen das Lernen und das, was “Schule” irgendwie sein könnte, dringend komplett neu denken. Und nach Bratsch fahren. Anschauungsunterricht! Oder in Nischen alternative Angebote spriessen lassen, die im Kleinen zeigen, was auch im Grossen funktionieren würde.
Ich habe sie ausgefüllt. Die Umfrage. Vor allem die Kommentarfelder. Check.